Schönes Märchenspiel:

"König Drosselbart" für die ganze Familie

HANNOVER. Was ist sie doch für eine arrogante Zicke. Prinzessin Annabella (Lavinia-Romana Reinke), total verwöhnt, unnachgiebig, kriegt was sie will. Alle haben es schwer mit ihr. Besonders ihr Vater, König Alfons (Hendrik Massute), der sie verheiraten will. Leicht gesagt: denn seine schöne Tochter hat bereits "772 beste Freier aus aller Welt" abblitzen lassen. Nicht genug, ihren Absagen mischt sie viel Verhöhnung bei. Entrüstet, wütend und beleidigt ziehen Könige, Prinzen, reiche Adelige und betuchte Edelmänner von dannen. Wie der dickleibige, in herrlich schrägem Pomp-Kostüm gewandete, ach-so-reiche Prinz Sigismund von Raffhausen (Günter Stückemann). Der verzweifelte Vater versucht, wie immer, den frisch Abgeblitzten noch zu beschwichtigen. Ebenso ergeht es jenem König (Christoph Linder), dem sie den Spottnamen "Drosselbart" verpasst. Ein harter Brocken, also, diese Prinzessin. "Geld ist nicht alles", sagt sie, die sich selbst einen Mann            Foto : Joachim Giesel                                                                                     aussuchen will. Verständlich. Aber ihr enormer Hochmut steht ihr auch im Wege. Das diesjährige Wintermärchen im Theater in der List spielt "König Drosselbart". Theaterleiter und Schauspieler Willi Schlüter hat das berühmte Märchen nach den Gebrüdern Grimm bearbeitet und inszeniert. Herausgekommen ist eine liebevolle, kurzweilige und humorvolle   Aufführung. Mit schön gestalteten, auch aufwendigen Kostümen (Sabine Mech) und ausgesuchten Requisiten. Mit Musikeinspielungen. Und mit lustigen, die Handlung auflockernden Regie-Einfällen - wie witzige zügige Umbauten, lustige (bewusste) Versprecher ("König Sigis'rund'...") und manch lockerem Spruch. "Bruder Labertasche", sagt die Prinzessin frech zu einem freundlichen Mann (König inkognito, Linder), der ihr behilflich sein will, aber gewitzt dagegen hält und sie "Schwester Kratzbürste" nennt. Dann reicht es dem Vater: "Das Leben ist nicht nur Jux und Tollerei". Ruckzuck verheiratet er seine Tochter mit einem "armen Spielmann" (Linder) mit Mundharmonika. Von nun an ist sie Ex-Prinzessin, eine einfache junge Frau, die ihrem Habenichts-Ehemann in sein bescheidenes Heim folgen muss. Der Weg führt durch schönste Ländereien, Wälder, Städte, die alle dem König Drosselbart gehören. Und sie jammert: "Ich armes Mädchen zart, ach, hätt' ich genommen den König Drosselbart!". Spannung, Witz, überraschende Momente, und vor allem das lebendige Spiel der vier Akteure, packen die Zuschauer von Klein bis Groß. Kinder verschiedenster Altersstufen, Eltern, Großeltern, Familien. Schönes Ensemble-Spiel, überzeugend verkörpern die Darsteller ihre jeweilige(n) Rolle(n). Man fiebert mit dem "Spielmann" mit, wenn er seine widerspenstige Ehefrau mit dem normalen Leben konfrontiert und ihr klar macht, dass man für seinen Lebensunterhalt hart arbeiten muss. Reinke spielt die verwöhnte Königstochter prima. Ebenso ihre Wandlung, bei der aber ab und an der Hochmut noch durchkommt - bis sie sich gänzlich in ihr Schicksal fügt. Gleich mehrere Rollen spielen Linder, Massute (Händler, Wirt, Hofmarschall...) und Stückemann (Koch...), der lustig den alten, nichts aus der Ruhe bringenden Diener Hyronymus von König Alfons und der Prinzessin gibt. Wohlfühl-Theater. Ein schöner Theater-Nachmittag, der viel Freude macht. Nach 90 Minuten (mit Pause), langer, kräftiger Applaus.i)

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Christian Seibt  NEUE PRESSE  

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